Employer Branding+
Sonderstudie:

Remote Work – echter Schmerz, aber (noch) wenige Lösungen

Prof. Dr. Carsten Baumgarth

Remote Work, sprich die Möglichkeit unabhängig vom offiziellen Arbeitsort zu arbeiten, ist spätestens seit der Corona-Krise und den damit verbundenen Lockdowns und Home-Office gelebte Realität in der Wirtschaft. Nach den Analysen des ifo-Instituts arbeiten in der deutschen Wirtschaft im Jahre 2024 rund ein Viertel aller Beschäftigen zumindest zeitweise remote. Wie Abbildung 1 aufzeigt, ist der Anteil von Remote Work erwartungsgemäß besonders stark im Dienstleistungsgewerbe inklusive der Immobilienwirtschaft mit über einem Drittel aller Beschäftigen ausgeprägt.

Abb. 1: Remote Work-Anteile in der deutschen Wirtschaft (Quelle: ifo 2024)

Aufgrund der hohen Relevanz wurde im Rahmen der Studie Employer Branding+, die vom European Real Estate Brand Institute in Kooperation mit der HWR Berlin im Jahre 2023 durchgeführt wurde, ein Sonderteil zum Thema Remote Work integriert (vgl. Box „Design der Studie Employer Branding+).

Design der Studie Employer Branding+

  • Vorarbeiten: Literaturstudium, Expert:innengespräche (n = 7)

  • Onlinebefragung: Unipark/EFS Survey

  • Feldphase: 31.10.2023 – 19.11.2023

  • Auswertbare Fragebögen: n = 70 – 138 (variiert in Abhängigkeit von dem jeweiligen Teil der Befragung)

  • Hierarchielevel: Top-Managementbefragung (C-Level/Geschäftsführung 38,4 %; Unternehmenskommunikation: 17,8 %; Personal: 15,1 %; Marketing: 8,2 %; Sonstige: 20,5 %:)

  • Berufserfahrung: langjährige Berufserfahrung dominiert (mehr als 20 Jahre: 69,3 %; 11 -20 Jahre: 20,5 %)

  • Unternehmensgröße: überwiegend Mittelstand (bis 499 Mitarbeitende: 56,3 %)

  • Branchen: Hauptbranchen Projektentwickler/Bauträger (34,7 %) und Immobilienverwalter (23,6 %)

  • Auswertung: IBM SPSS

Die Studie Employer Branding+ zeigt zunächst, dass das Management von Remote Work für die Entscheidungsträger in der Immobilienwirtschaft aktuell im Vergleich zu den beiden anderen Themen der Studie (Employer Branding und Diversity-Management) die größte Herausforderung darstellt. Im Weiteren wird skizziert, welche Herausforderungen die Verantwortlichen sehen, wie der Status quo ist und welche Lösungsansätze aktuell umgesetzt werden.

1. Status quo und Herausforderungen

Zunächst verdeutlicht die Studie Employer Branding+, dass Remote Work in der Immobilienwirtschaft der Standard ist. Nur 4 % der befragten Verantwortlichen gaben an, dass es eine Präsenzpflicht gibt. 61 % hingegen haben unternehmensweit einheitliche Regelungen zu Remote Work und 35 % der Befragten berichteten, dass sie eher flexible Regelungen zwischen den Mitarbeitenden und den Vorgesetzten in diesem Feld haben. Allerdings zeigt sich weiterhin, dass es sich bei dem Remote Work hauptsächlich um eine teilweise Flexibilisierung handelt (vgl. Abbildung 2). Nur bei knapp 10 % der Unternehmen beträgt die Remote Arbeitszeit 50 % oder mehr. Im Durchschnitt beträgt der Remote-Anteil in der Immobilienwirtschaft rund 37 %.

Abb. 2: Remote Work-Anteil in der Immobilienwirtschaft

Trotz dieser „Normalität“ von Remote Work wird diese von den befragten Manger:innen durchaus als herausfordernd eingeschätzt (vgl. Abbildung 3, allg. zu den Vor- und Nachteilen von Remote Work z. B. Hofmann et al 2023; Buffer 2023; Pfnür et al. 2023). Besonders leidet nach Ansicht der Verantwortlichen der „Flurfunk“ und das Teamwork. Weiterhin wird als zentrale Herausforderung gesehen, dass Führungskräfte über zu geringe Kompetenzen zur Führung von Teams und Personen im Remote-Modus verfügen. Schließlich sehen die Verantwortlichen auch negative Effekte von Remote Work auf die Innovationskraft und Kreativität sowie die Identifikation mit dem Unternehmen.

Abb. 3: Herausforderungen durch Remote Work in der Immobilienwirtschaft

2. Strategien und Umsetzung

Um diese Nachteile (und weitere Herausforderungen) durch Remote Work auszugleichen, setzen die Immobilienunternehmen unterschiedliche Strategien ein. Besonders stark stimmen die befragten Manager:innen einer differenzierten Vorgehensweise zu. Danach sollen z. B. neue Mitarbeitende eine höhere Präsenzquote als erfahrene Mitarbeitende aufweisen (Zustimmung: 1,97), um die Unternehmenskultur zu verstehen und zu lernen sowie Netzwerke innerhalb des Unternehmens aufzubauen. Weiterhin werden von den Immobilienunternehmen auch kommunikative Strategien relativ stark eingesetzt (Zustimmung: 2,09), die darauf abzielen, den Mitarbeitenden den Nutzen von Präsenzarbeit zu verdeutlichen. Auch eine relativ starke Zustimmung (2,25) gab es für die Einführung von verbindlichen Regelungen zur Präsenzarbeit.

Auf der instrumentellen Ebene findet etwas überraschend, aber evtl. auch typisch für die Immobilienbranche die Gestaltung des Gebäudes und des Arbeitsumfeldes die höchste Zustimmung (vgl. Abbildung 4). Weiterhin werden spezielle Präsenzformate organisiert, um einen direkten und ungezwungenen Austausch mit den Top-Führungskräften zu ermöglichen oder auch interne „Events“ und „Rituale“, die insbesondere den „Flurfunk“ und den Zusammenhalt stärken sollen. Schließlich setzen Immobilienunternehmen passend zum strategischen Ansatz auch Regelungen für gemeinsame Präsenztag relativ intensiv ein. Etwas überraschend ist, dass die Schulung der Führungskräfte zum Thema Führen bei Remote Work die geringste Zustimmung erfährt, obwohl die fehlenden Führungskompetenzen in Bezug auf Remote Work als eine der Hauptherausforderungen angesehen wurden.

Abb. 4: Instrumente zum Umgang mit Remote Work in der Immobilienwirtschaft

3. Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen

Zunächst ist festzuhalten, dass Remote Work aktuell den Verantwortlichen unter den Nägeln brennt. Remote Work ist in fast allen Immobilienunternehmen umgesetzt und der Remote Work-Anteil beträgt im Durchschnitt 37 %. Allerdings sehen die befragten Manager:innen durchaus eine Vielzahl von Herausforderungen durch Remote Work wie fehlender informeller Austausch, fehlende Führungskompetenzen, Verlust an Identifikation mit dem Unternehmen sowie geringe Kreativität und Innovationskraft.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, verfolgen die Immobilienunternehmen verschiedene Ansätze und Instrumente, die von verbindlichen Präsenztagen über interne Events und Austauschformate in Präsenz bis hin zur internen Kommunikation zum Nutzen von Präsenzarbeit reichen. Typisch für die Immobilienbranche wird auch versucht, durch die Gebäudearchitektur die Attraktivität des „Büros“ und damit der Präsenzarbeit zu erhöhen.

Aus der Studie lassen sich konkrete Managementimplikationen ableiten:

1.     Akzeptieren Sie einen hohen Anteil an Flexibilität und Remote Work-Anteilen!

  • Remote Work ist mit einem Anteil von knapp 40 % als das neue „Normal“ in der Immobilienwirtschaft zu akzeptieren.

2.     Gehen Sie aktiv und kreativ die Herausforderungen von Remote Work an!

  • Noch hat keiner ein Patentrezept (wenn es das überhaupt gibt). Daher probieren Sie spezielle Formate, Rituale, Events etc. für einen informellen Austausch und eine Steigerung des Commitments mit dem Team und dem Unternehmen aus, evaluieren Sie diese und lernen Sie daraus.

  • Überlegen Sie sich auch digitale Formate, welche die Unternehmenskultur widerspiegeln und trainieren. Die „interne Markenführung“ muss intensiviert und an Remote Work angepasst werden.

  • Vergessen Sie bei allem „Spaß“ der internen Events und Rituale aber nicht, dass es bei der Frage nach der Balance von Remote Work und Präsenzarbeit immer um die kurz- und langfristige (ökonomische) Performance Ihres Unternehmens geht.

3.     Schulen Sie Ihre Führungskräfte zum Führen in Remote Work-Kontexten!

  • Stellen Sie zeitliche und finanzielle Ressourcen für das Training zur Verfügung, da Führung im Remote Work eine neue Fähigkeit für Führungskräfte darstellt, die nicht von diesen einfach erwartet werden kann, sondern bewusst geschult werden muss.

Referenzen

Buffer (Hrsg.) (2023). State of Remote Work 2023, https://buffer.com/state-of-remote-work/2023 (letzter Abruf: 10.5.2024).

Hofmann, J.; Piele, A.; Piele, C. (2023). Mobile Arbeit – Sozialpartnerstudie 2023, Stuttgart.

Ifo (Hrsg.) (2024): Homeoffice in Deutschland fest verankert, https://www.ifo.de/fakten/2024-03-04/homeoffice-deutschland-fest-verankert (letzter Abruf: 7.5.2024)

Pfnür, A.; Voll, K.; Höcker, M. C.; Bachtal, Y. (2023). Work form Home: Von der Pandemienotlösung zum Konzept multilokaler Arbeit, Arbeitspapier zur immobilienwirtschaftlichen Forschung und Praxis, Bd. 50, Darmstadt.