Employer Branding+
Sonderstudie:
Von Fortschritten und Schmerzen des Employer Brandings in der Immobilienwirtschaft
Prof. Dr. Carsten Baumgarth
Die Berater von McKinsey haben schon 1997 den „War for talents“ ausgerufen (Chambers et al. 1998; Michaels et al. 2001) und auch die Wissenschaft diskutiert spätestens seit dem Beitrag „The employer brand“ von Tim Ambler und Simon Barrow aus dem Jahre 1996 das Thema der Gewinnung und Bindung von Fach- und Führungskräften.
Der demographische Wandel, aber auch die Veränderungen der Aufgabenfelder in u.a. IT und Marketing, führen dazu, dass Immobilienunternehmen auch Fachkräfte aus nicht-immobilienwirtschaftlichen Umfeldern akquirieren müssen. Das Thema Employer Branding steht deshalb auf der Agenda der Top-Entscheider sowie Marken- und Personalverantwortlichen der Immobilienbranche.
Daher wurde bereits 2020 vom European Real Estate Brand Institut in Kooperation mit der HWR Berlin eine Studie zum Status-quo und Professionalisierungsgrad des Employer Brandings in der Immobilienwirtschaft durchgeführt. Im Herbst 2023 wurde eine Follow-up-Studie (vgl. Box „Design der Studie Employer Branding+“) durchgeführt.
Design der Studie Employer Branding+
Vorarbeiten: Literaturstudium, Studie „Employer Branding in der Immobilienwirtschaft 2020“, Expert:innengespräche (n = 7)
Onlinebefragung: Unipark/EFS Survey
Feldphase: 31.10.2023 – 19.11.2023
Auswertbare Fragebögen: n = 70 – 138 (variiert in Abhängigkeit von dem jeweiligen Teil der Befragung)
Hierarchielevel: Top-Managementbefragung (C-Level/Geschäftsführung 38,4 %; Unternehmenskommunikation: 17,8 %; Personal: 15,1 %; Marketing: 8,2 %; Sonstige: 20,5 %:)
Berufserfahrung: langjährige Berufserfahrung dominiert (mehr als 20 Jahre: 69,3 %; 11 -20 Jahre: 20,5 %)
Unternehmensgröße: überwiegend Mittelstand (bis 499 Mitarbeitende: 56,3 %)
Branchen: Hauptbranchen Projektentwickler/Bauträger (34,7 %) und Immobilienverwalter (23,6 %
Auswertung: IBM SPSS
1. Bausteine des Employer Brandings
Zur Strukturierung des Employer Brandings existieren diverse Bezugsrahmen (z. B. Sponnheuer 2010; Alshathry et al. 2017; Deepa/Baral 2017; Kriegler 2022). Der Studie Employer Branding+ liegt der in Abbildung 1 dargestellte Bezugsrahmen zugrunde.
Abb. 1: (Vereinfachter) Bezugsrahmen des Employer Brandings
2. Status-quo und Veränderungen des Employer Brandings in der Immobilienwirtschaft
(0) Aktuelle Rahmenbedingungen und Herausforderungen
In der Gesamtwirtschaft stellt der Mangel an Führungs-, Fach- und Arbeitskräften trotz wirtschaftlicher Stagnation in Deutschland und Europa eine Herausforderung für die Weiterentwicklung von Unternehmen dar. Beispielsweise prognostiziert die Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2024 706.000 gemeldete offene Stellen. Seit 2017 (mit Ausnahme des Corona-Jahres 2020) liegt die Anzahl immer über 700.000 Stellen. Im Vergleich dazu bewegte sich die Anzahl offener Stellen vor rund zehn Jahren noch auf einem Niveau von unter 500.000 (Bundesagentur für Arbeit 2024a). Auch die Länge der Vakanzen verdeutlicht insbesondere auch für den Immobilien- und Baubereich die dramatische Situation. Nach einer weiteren Auswertung der Bundesagentur für Arbeit beträgt z. B. die durchschnittliche Dauer der Vakanz für Aus- und Trockenbau 291, für Bodenverlegung 288 und für Naturstein-, Mineral- und Baustoffherstellung 272 Tage (Bundesagentur für Arbeit 2024b).
Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Herausforderungen aus Sicht der Entscheider im Employer Branding in der Studie Employer Branding+ im Vergleich zu den Ergebnissen von 2020 eher noch eine Intensivierung zeigt (Abbildung 2).
Abb. 2: Herausforderungen des Employer Brandings in der Immobilienwirtschaft
Wie die Auswertung zeigt, stellt neben der eher tagesaktuellen Herausforderung der „zeitnahen Besetzung von Vakanzen“ die „Gewinnung der ‚besten Köpfe‘ im Wettbewerb auch mit nicht immobilienwirtschaftlichen Unternehmen“ die größte Herausforderung dar. Wie in der Studie „Employer Branding in der Immobilienwirtschaft 2020“ (Baumgarth 2021) herausgearbeitet, kämpft die Immobilienbranche insgesamt mit einem relativ schlechten Branchenimage außerhalb der Immobilienbranche bei potentiellen (jungen) Arbeitnehmern sowie einer sehr geringen Stärke der jeweiligen Arbeitgebermarke. Diese externen Faktoren verschärfen sowohl die kurz- als auch langfristigen Herausforderungen.
(1) Organisation
Bei der Organisation zeigt sich (vgl. Abbildung 3), dass das Employer Branding stärker auf dem C-Level angekommen ist. Während 2020 nur in rund jedem dritten Unternehmen (34 %) C-Level-Mitglieder direkt an dem Employer Branding-Prozess beteiligt waren, stieg dieser Wert in 2023 auf fast jedes zweite Unternehmen (45 %). Weiterhin auffällig ist, dass im Vergleich zu 2020 mit 17 % die Beteiligung von Nachwuchskräften höher ausfällt und hingegen die Hinzuziehung von externen Beratern von 27 % in 2020 auf 14 % in 2023 zurückgegangen ist.
Abb. 3: Beteiligte am Employer Branding in der Immobilienwirtschaft
(2) Fundament
Das Fundament umfasst insbesondere die Strategien und die Arbeitgebermarkenpositionierung. Bei den strategischen Themen fällt zunächst auf, dass die Ableitung der Arbeitgebermarke überwiegend bereichsübergreifend erfolgt und Wettbewerb und Bedürfnisse der Arbeitnehmer explizit berücksichtigt werden (vgl. Abbildung 4). Trotz dieser positiven Aspekte eines professionellen strategischen Employer Brandings fällt eher nachteilig auf, dass eine schriftliche und damit explizite und verbindliche Festlegung der Arbeitgebermarken-Positionierung eher weniger intensiv in der Immobilienwirtschaft stattfindet. Ähnlich problematisch ist, dass im Vergleich zu 2020 noch immer die Evidenz und zahlenbasierende, strategische Analyse auf einem relativ geringen Niveau verharrt. Es gibt nur mittlere Zustimmungswerte hinsichtlich der Durchführung einer Imageanalyse, einer expliziten Wettbewerbsanalyse oder Analyse der Bedürfnisse potentieller Mitarbeitender.
Abb. 4: Employer Branding-Strategie in der Immobilienwirtschaft
In Bezug auf die Inhalte der Arbeitgebermarkenpositionierung (vgl. Abbildung 5) fällt auf, dass die Themen soziale und ökologische Nachhaltigkeit im Vergleich zu 2020 stärker Berücksichtigung finden. Hingegen werden jobnahe Aussagen wie „herausfordernde und abwechslungsreiche Tätigkeit“, „Möglichkeit zur Selbstverwirklichung“ oder „Jobsicherheit“ deutlich weniger häufig in die Positionierung der Arbeitgebermarke integriert. Diese Entwicklung sollte zumindest kritisch reflektiert werden, da die Studie in 2020 aus Sicht potentieller Mitarbeitender ein ganz anderes Bedürfnisprofil zeigte. Danach waren die jobnahen Kriterien unter den Top 5 der wichtigsten Bedürfnisse und die Nachhaltigkeitskriterien rangierten mit den Plätzen 17, 18 und 25 (von 25 abgefragten Kriterien) eher am Ende der abgefragten Bedürfnisse (Baumgarth 2021, S. 35).
Abb. 5: Inhalte der Employer Brand-Positionierung in der Immobilienwirtschaft
(3) Umsetzung
Im Rahmen der eingesetzten Instrumente des Employer Brandings zeigen sich kaum Veränderungen zwischen 2020 und 2023 (vgl. Abbildung 6). Klassische Werbung spielt weiterhin keine Rolle und die Zusammenarbeit mit Headhuntern hat etwas abgenommen. Wenig überraschend spielen digitale Instrumente wie Social Recruiting oder Employer Branding-Auftritte auf Social Media-Plattformen eine zunehmend wichtigere Rolle. Auch der Einsatz von eigenen Mitarbeitenden als „Recruiter“ in den persönlichen Netzwerken hat leicht an Bedeutung zugenommen. Die Gestaltung des Bewerber:innenmanagements sowie des Onboarding werden weiterhin als zentrale Instrumente des Employer Brandigns in der Immobilienwirtschaft eingesetzt. Interessant ist aber im Rahmen dieser „Employer Journey“, dass das Offboarding weniger intensiv eingesetzt wird (dieses Instrument wurde 2020 noch nicht abgefragt).
(4) Feedback
Das Controlling als systematisches Feedbackinstrument stellt einen zentralen Baustein eines professionellen Employer Brandings dar (z. B. Kriegler 2022, 349 ff.). Allerdings zeigen die Ergebnisse für die Immobilienwirtschaft, dass in diesem Feld, vergleichbar auch mit den Ergebnissen von 2020, die größten Defizite vorliegen (vgl. Abbildung 7). Am intensivsten werden noch die Arbeitgeberbewertungsplattformen wie kununu und die eigenen Social-Media-Kanäle ausgewertet. Alle anderen Instrumente angefangen von der Überprüfung der zentralen Touchpoints über die Prüfung und Diskussion der gewählten Arbeitgeberpositionierung bis hin zur Messung der Markenstärke der Employer Brand sind nur sehr schwach ausgeprägt. Diese fehlende Evidenzorientierung zeigte sich auch schon in den Angaben zur Bestimmung der Arbeitgebermarkenpositionierung im Rahmen des Bausteins „Fundament“.
Abb. 6: Instrumente des Employer Brandings in der Immobilienwirtschaft
Abb. 7: Controlling des Employer Brandings in der Immobilienwirtschaft
3. Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen
Die Bedeutung von Employer Branding bleibt in der Immobilienwirtschaft weiterhin sehr hoch, allerdings haben sich die Herausforderungen in diesem Bereich noch einmal merklich erhöht. Während das Top-Management zunehmend in Employer Branding-Projekte eingebunden wird und auch Nachwuchskräfte verstärkt miteinbezogen werden, wird Employer Branding oft noch auf einem nur befriedigenden strategischen Niveau betrieben. Es mangelt vorwiegend an einem effektiven Controlling der Aktivitäten.
Zugleich gewinnen Nachhaltigkeitsthemen als Positionierungsansätze der Employer Brand an Bedeutung, wobei nicht ganz klar ist, ob diese auch aus Sicht der aktuellen und potentiellen Arbeitnehmenden tatsächlich die höchste Relevanz besitzen. Klassische Rekrutierungsinstrumente wie Werbung, digitale Stellenanzeigen und die Nutzung von Headhuntern bzw. Personaldienstleistern verlieren an Relevanz. Demgegenüber erleben digitale Plattformen wie LinkedIn einen deutlichen Aufschwung als effektive Mittel im Employer Branding der befragten Immobilienunternehmen.
Employer Branding wird immer mehr zur Aufgabe des Top-Managements. Allerdings herrscht in der Immobilienwirtschaft weiterhin ein operativer und wenig strategisch-evidenzbasierter Ansatz vor, was die Notwendigkeit unterstreicht, in Strategie und Controlling zu investieren, um die Effektivität von Employer Branding zu steigern.
Neben allg. Empfehlungen (vgl. z. B. Baumgarth 2018, 2019) lassen sich aus der Studie konkrete Managementimplikationen für drei Handlungsfelder ableiten:
1. Festigen Sie das strategische Fundament Ihres Employer Brand Managements
Denken Sie holistisch! Employer Brand Management ist kein Stückwerk, sondern ein ganzheitlicher Ansatz.
Definieren Sie klar und deutlich! Ihre Employer Brand muss eine eindeutige und schriftlich fixierte Positionierung haben, die sich von anderen abhebt.
Übersehen Sie das Offensichtliche nicht! Auch "normale" Jobmerkmale Ihrer Marke verdienen Aufmerksamkeit.
Brechen Sie mit Stereotypen! Vermeiden Sie Branchenklischees und heben Sie sich durch Authentizität ab.
2. Optimieren Sie die Umsetzung entlang des gesamten Arbeitnehmer:innenzyklus
Steigern Sie die Sichtbarkeit Ihrer Marke! Jeder Berührungspunkt zählt, von dem Plakat über die Webseite und die Social Media-Auftritte bis hin zum On- und Offboarding.
Nutzen Sie das Offboarding! Verwandeln Sie das Ende einer Beschäftigung in eine Chance für Ihr Employer Branding.
3. Messen Sie professionell die Performance Ihrer Employer Brand
Führen Sie alle zwei bis drei Jahre ein Markenaudit (Baumgarth 2016) durch! Lassen Sie Ihre Employer Brand regelmäßig von externen Expert:innen ganzheitlich bewerten.
Überwachen Sie wichtige Kontaktpunkte! Achten Sie auf Usability, Experience und die Vermittlung Ihrer Markenwerte.
Erheben Sie regelmäßig und quantitativ die Markenstärke Ihrer Employer Brand! Kennen Sie den Wert Ihrer Marke und nutzen Sie die Erkenntnisse zur Optimierung des Employer Brandings.
Mit diesen Empfehlungen können Sie Ihr Employer Branding strategisch schärfen und effektiv ausbauen. Setzen Sie auf Klarheit, Konsistenz und eine starke, differenzierte Präsenz, um als „Arbeitgeber der Wahl“ den „War for talents“ erfolgreich zu bestehen.
Referenzen
Alshathry, S., Clarke, M., & Goodman, S. (2017). The role of employer brand equity in employee attraction and retention: a unified framework. International Journal of Organizational Analysis, 25(3), 413-431.
Ambler, T., & Barrow, S. (1996). The employer brand. Journal of Brand Management, 4(3), 185-206.
Baumgarth, C. (2016): Marken-Audit - Skizze und Erfahrungen mit einem holistischen Markencontrolling. PraxisWISSEN Marketing, 1(1), 22-34.
Baumgarth, C. (2018). B-to-B-Employer Branding – Relevanz, Erkenntnisse und Schlaglichter, in: B-to-B-Markenführung, Hrsg.: Baumgarth, C., 2. Aufl., SpringerGabler: Wiesbaden, S. 477-496.
Baumgarth, C. (2019): Employer Branding for Real Estate Companies, in: European Real Estate Brand Book 2019, Hrsg.: Steiner, H., Real Estate Brand Book: Berlin, S. 16-21.
Baumgarth, C. (2021). Employer Branding Studies in der Real Estate Industry – Hello Facts, Goodbye Gut Feeling, in: European Real Estate Brand Book 2021, Hrsg.: Steiner, H., Real Estate Brand Book: Berlin, S. 34-40.
Bundesagentur für Arbeit (Hrsg.) (2024a): Frühindikatoren für den Arbeitsmarkt (Monatszahlen April 2024). Bundesagentur für Arbeit: Nürnberg.
Bundesagentur für Arbeit (Hrsg.) (2024b): Gemeldete Arbeitsstellen (Monatszahlen April 2024). Bundesagentur für Arbeit: Nürnberg.
Chambers, E. G., Foulon, M., Handfield-Jones, H., Hankin, S. M., & Michaels III, E. G. (1998). The war for talent. The McKinsey Quarterly, (3), 44.
Deepa, R., & Baral, R. (2017). A comprehensive framework for implementing an effective employer brand strategy. Global Business Review, 18(3_suppl), S. 75-S94.
Kriegler, W. R. (2022). Praxishandbuch Employer Branding, 4. Aufl., Haufe: Freiburg.
Michaels, E., Handfield-Jones, H., & Axelrod, B. (2001). The war for talent. Harvard Business School Press: Boston.
Sponnheuer, B. (2010). Employer Branding als Bestandteil einer ganzheitlichen Markenführung, Gabler: Wiesbaden.