Employer Branding+
Sonderstudie:
Diversity – eher nice to have als strategischer Ansatz
Prof. Dr. Carsten Baumgarth
Diversity meint im Allgemeinen die Vielfalt von Menschen. Diversity-Management ist dann die bewusste und konstruktive Nutzung der menschlichen Vielfalt im Unternehmen. Diese Definition wird aber erst greifbar, wenn explizit bestimmt wird, in welchen Dimensionen sich Vielfalt abbildet. Einer der einflussreichsten Bezugsrahmen stammt von Gardenswartz und Rowe (1998), der vier Diversity-Ebenen unterscheidet und auf der ersten Ebene sechs Kerndimensionen voneinander abgrenzt. Das Modell bildet auch die Grundlage der Non-Profit-Organisation „Charta der Vielfalt“, die sich seit 2006 für das Thema engagiert. Die „Charta der Vielfalt“ unterscheidet ebenfalls vier Ebenen, hat aber auf der Personenebene mit Alter, ethnische Herkunft & Nationalität, Geschlecht & geschlechtliche Identität, körperliche und geistige Fähigkeiten, Religion & Weltanschauung, sexuelle Orientierung und soziale Herkunft sieben Kerndimensionen voneinander abgegrenzt (vgl. Abbildung 1).
Abb. 1: Dimensionen des Diversity-Managements (Quelle: Charta der Vielfalt 2023)
Im Jahrbuch „European Real Estate Brand Book 2023“ (Baumgarth 2023) wurden bereits die potentiellen Vorteile eines gezielten Diversitätsmanagement für Immobilienunternehmen skizziert. Dieser Beitrag zeigt auf, ob und wie das Diversitätsmanagement in der Praxis der Immobilienwirtschaft aktuell ausgeprägt ist. Dazu wurde im Rahmen der Studie Employer Branding+, die vom European Real Estate Brand Institut in Kooperation mit der HWR Berlin im Jahre 2023 durchgeführt wurde, ein Sonderteil zum Thema Diversitätsmanagement integriert (vgl. Box „Design der Studie Employer Branding+-Studie“).
Design der Studie Employer Branding+
Vorarbeiten: Literaturstudium, Expert:innengespräche (n = 7)
Onlinebefragung: Unipark/EFS Survey, Auswertung der Webseiten der 100 stärksten Immobilienmarken in Bezug auf Diversitätsmanagement und Frauenquote auf Top-Management-Ebene
Feldphase: 31.10.2023 – 19.11.2023
Auswertbare Fragebögen: n = 70 – 138 (variiert in Abhängigkeit von dem jeweiligen Teil der Befragung)
Hierarchielevel: Top-Managementbefragung (C-Level/Geschäftsführung 38,4 %; Unternehmenskommunikation: 17,8 %; Personal: 15,1 %; Marketing: 8,2 %; Sonstige: 20,5 %:)
Berufserfahrung: langjährige Berufserfahrung dominiert (mehr als 20 Jahre: 69,3 %; 11 -20 Jahre: 20,5 %)
Unternehmensgröße: überwiegend Mittelstand (bis 499 Mitarbeitende: 56,3 %)
Branchen: Hauptbranchen Projektentwickler/Bauträger (34,7 %) und Immobilienverwalter (23,6 %)
Auswertung: IBM SPSS
1. Bedeutung und Motivation
Gefühlt sind Diversity, Diversity-Management, Female Empowerment und verwandte Begriffe auf LinkedIn & Co. und in der öffentlich-politischen Diskussion in den letzten Jahren immer präsenter geworden. Wenn man sich allerdings „objektive“ Auswertungen z. B. von Google Trends über einen längeren Zeitraum (z. B. die letzten fünf Jahre) anschaut, erkennt man, dass durchaus viele Suchanfragen (als Indikator für Interesse) gestellt werden, aber das Interesse auf einem mittleren bis hohen Niveau stagniert. Auch im Unternehmenskontext zählt, wie Abbildung 2 verdeutlicht, Diversity aktuell bei den befragten HR-Manager:innen in den Unternehmen nicht zu den Top-Themen.
Abb. 2: Wichtigste Handlungsfelder im Personalmanagement (Quelle: Hays 2024, S. 31)
Ähnlich sieht es auch für die Immobilienwirtschaft aus. In der Studie Employer Branding+ wurde die aktuelle und zukünftige Relevanz (die nächsten drei Jahre) von Employer Branding, Remote Work und Diversitätsmanagement in der Immobilienwirtschaft erhoben. Dabei zeigte sich, dass sowohl aktuell als auch zukünftig das Diversitätsmanagement die geringste Relevanz von den drei berücksichtigten Handlungsfeldern aufweist. Diese geringe Relevanz lässt sich auch aus den Motivationen ablesen, die Immobilienunternehmen mit ihrem Diversitätsmanagement verfolgen (vgl. Abbildung 3). Die höchste Relevanz besitzen die Motivationen „Diskriminierungsvermeidung“ und „must have“. Motivationen, die eher auf die Steigerung der Performance durch Diversität oder auf einer intrinsischen Motivation basieren, landen hingegen im hinteren Mittelfeld der Motivationsfaktoren. Auch scheint Diversität aus Sicht der HR-Verantwortlichen nur sehr begrenzt von potentiellen Arbeitnehmern erwartet und nachgefragt zu werden.
Abb. 3: Motivationen für Diversitätsmanagement in der Immobilienwirtschaft
2. Strategie und Umsetzung
In Bezug auf die strategische Ausrichtung des Diversity-Managements zeigt sich in der Immobilienwirtschaft, dass von den Kerndimensionen der Charta der Vielfalt noch am stärksten die Dimensionen „Geschlecht und geschlechtliche Identität“ (Zustimmung: 2,44 auf einer Fünfer-Skala von 1 = stimme zu bis 5 = stimme nicht zu). „körperliche und geistige Fähigkeiten“ (Zustimmung: 2,56) sowie „Alter“ (Zustimmung: 2,68) Berücksichtigung finden. Die anderen Dimensionen stellen mit Zustimmungswerten von rund 3 und weniger aktuell keine Schwerpunkte im Diversitätsmanagement von Immobilienunternehmen dar. Insgesamt zeigt sich zwar damit, dass z.B. das Thema Gleichstellung von Frau und Mann bzw. allen Geschlechtern aktuell noch am wichtigsten für Immobilienunternehmen im Rahmen des Diversitätsstrategie ist, aber insgesamt alle Dimensionen keine besonders hohen Zustimmungswerte erzielen.
In Bezug auf die Umsetzung des Diversitätsmanagements wurde im Rahmen der Studie zwischen internen und externen Instrumenten differenziert. Bei den internen Instrumenten wird passend zur Bedeutung der Diversitätsdimensionen dem Instrument „Förderung der Chancengleichheit für Frauen auf der Führungsebene“ am stärksten zugestimmt (vgl. Abbildung 4). Geringe Zustimmungswerte erhalten hingegen Instrumente, die eigene organisatorische Einheiten für das Thema schaffen (z.B. Taskforce, eigene Abteilung) oder existierende Prozesse (z.B. Implementierung eines Mentoring-Programms, Training) verändern.
Abb. 4: Relevanz der internen Diversitätsinstrumente in der Immobilienwirtschaft
Die externen Instrumente erreichen ein ähnliches Zustimmungsniveau (vgl. Abbildung 5). Besonders hoch fällt die Zustimmung für formale Aspekte der Außendarstellung wie Diversität bei der Erstellung der Werbemittel oder der Einsatz einer genderneutralen Sprache aus. Instrumente wie eine explizite Darstellung der Aktivitäten des Diversitätsmanagement auf der Webseite oder den Karriereseiten erreicht bei den befragten immobilienwirtschaftlichen Entscheidungsträgen nur geringe Zustimmungswerte.
Abb. 5: Relevanz der externen Diversitätsinstrumente in der Immobilienwirtschaft
3. Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen
Zunächst lässt ich festhalten, dass Diversitätsmanagement in der Immobilienwirtschaft trotz der Diskussion in der Gesellschaft aktuell kein Top-Thema darstellt. Dieses Thema wird eher als Risikominimierungsansatz und weniger als aktiver Ansatz zur Gewinnung der besten Köpfe oder als Booster für die Unternehmensperformance durch diverse Teams beurteilt. Wenn Diversitätsmanagement aktiv und nicht nur reaktiv agierend und Gesetze einhaltend betrieben wird, spielt die Förderung der Gleichstellung von Frauen noch die größte Rolle.
In Bezug auf die Umsetzung zeigt sich, dass intern insbesondere Instrumente zum Einsatz kommen, die wenig kosten und keine Veränderungen von bestehenden Organisationsstrukturen und -prozessen bedürfen. Bei den externen Instrumenten fällt auf, dass schwerpunktmäßig auf die formale Hülle der Diversität (genderneutrale Sprache etc.) geachtet wird, aber die eigenen Strategien und Aktivitäten im Rahmen des Diversitätsmanagements kaum oder gar nicht nach außen kommuniziert werden. Diese fehlende Transparenz kann aber auch dadurch bedingt sein, dass die meisten Immobilienunternehmen kein aktives Diversitätsmanagement betreiben und das Thema „nur“ bearbeiten, um das Risiko von externen Angriffen durch Medien und Social Media zu begrenzen und/oder gesetzliche Auflagen zu erfüllen.
Neben allg. Empfehlungen (vgl. z. B. Baumgarth 2023) lassen sich aus der Studie konkrete Managementimplikationen ableiten:
1. Reflektieren Sie Ihre Motivation für das Diversitätsmanagement!
Berücksichtigen Sie Diversität nicht als Risikofaktor, sondern als Booster für Kreativität, Resilienz und Performance von Unternehmen.
Wenn Sie Nachhaltigkeit ernst nehmen, sollten Sie auch die soziale Dimension der Nachhaltigkeit durch ein professionelles Diversitätsmanagement stärken. Nicht nur Reden, sondern auch Handeln (auch im eigenen Unternehmen).
2. Interpretieren Sie Diversitätsmanagement nicht als Frauenquote auf der Führungsebene!
Integrieren Sie in Ihr Diversitätsmanagement alle sieben Dimensionen der Charta der Vielfalt
Starten Sie mit zwei oder drei Dimensionen, die für Ihr Business besonders wichtig sind.
3. Professionelles Diversitätsmanagement ist eine Investition und kostet Geld!
Stellen Sie Expert:innen für das Thema ein und integrieren Sie spezialisierte Organisationseinheiten mit ausreichender Machtbasis.
Verändern Sie mutig eingespielte Prozesse.
Reden Sie transparent und sichtbar über Ihr Diversitätsmanagement (aber erst, wenn Sie auch etwas zum Erzählen haben).
Referenzen
Baumgarth, C. (2023): Diversity as a differentiating factor? How diversity can strengthen the employer brand of real estate companies, in: European Real Estate Brand Book 2023, Hrsg.: Steiner, H., Berlin, S. 24-29.
Charta der Vielfalt (Hrsg.): Die sieben Dimensionen von Vielfalt, https://www.charta-der-vielfalt.de/fuer-organisationen/vielfaltsdimensionen/ (letzter Abruf: 7.5.2024).
Gardenswartz, L.; Rowe, A. (1998): Managing Diversity - A Complete Desk Reference and Planning Guide. New York.
Hays (Hrsg.) (2024): HR-Report 2024, Mannheim et al.