KOMMUNIKATIONSLEHRBEISPIEL IN DER POLYKRISE

Energiepreise explodieren, die Versorgungssicherheit wackelt bis hin zum viel beschworenen Blackoutszenario, und die Klimawende muss eventuell warten, bis Europa die geopolitisch getriebenen Probleme in den Griff bekommen hat. Muss sie das? Eigentlich nicht, im Gegenteil.

Mit den Worten des ehemaligen deutschen Vizekanzlers, Joschka Fischer, der es vor wenigen Tagen bei seinem Wien Besuch anlässlich des Oesterreichs Energie Kongress 2022 wie folgt formulierte: „Dinge verändern sich nachhaltig. Kosteneffizienz und Profitabilität werden in der Wirtschaft in Zukunft durch den Faktor Klimaverträglichkeit verdrängt. Wesentlich ist es, dies zu erkennen und danach zu handeln. Die Antwort auf Putins Entscheidung, mit Energie Krieg zu führen, wird für uns Europäer ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien sein müssen.“ Und weiter: „Europa muss sich als Kraft der Vernunft im Kampf gegen den Klimawandel einbringen, jenseits eines veralteten Prestigedenkens. Wenn es diese Rolle einnehmen kann, wird es gestärkt aus der Krise hervorgehen.“

Was Fischer auf den Punkt brachte, ist eine Beschreibung der Eigenschaft Resilienz. Wer die aktuelle Polykrise als Ausrede wertet und tatenlos zusieht, hat eigentlich schon verloren. Für die Energiewende braucht es keine Wartezeit, sondern proaktiv beschleunigtes Tun, um der Krise zumindest ex post einen Sinn zu geben. Diese Grundhaltung lässt sich problemlos auf alle Bereiche wirtschaftlichen Handelns ausdehnen. Für die Immobilienwirtschaft sowieso. Sie ist in Sachen Energiedilemma mittendrin, statt nur dabei.

Fischers Auftritt in Wien ist auch eine Lehrveranstaltung zum Thema Kommunikationsverhalten. Problem betrachten, analysieren, Pros und Contras abwägen und die praxisnahe Conclusio ohne Umschweife und mit konstruktiven Handlungsempfehlungen kommunizieren. Beruhen Analyse und Schlussfolgerung auf harten Fakten, steigt die Glaubwürdigkeit. Das sollten sich auch die kommunikativen Denker und Lenker der Immobranche, sprich die CMOs, zum Beispiel nehmen.

Die vom REB.Institute zum CMO oft he Year 2022 gekürte Sandra Brand, seit 2004 bei Drees & Sommer SE Unternehmenskommunikation und Marketing, weiß, wovon die Rede ist:Earned Content wird die alles entscheidende Komponente der Zukunft sein. Deshalb wird das Thema Leadership und interne Kommunikation im Berufsbild des CMOs an zentraler Bedeutung gewinnen. Wir werden Menschen nicht mehr informieren, sondern überzeugen.“ Brand fügt an, dass die kommunikative Überzeugung jedoch nur dann Bestand haben wird, wenn sie erlebbar wird und beweisbar bleibt. Vermittelt die Marketing-Kampagne etwas anderes als das, was Mitarbeiter, Mitbewerber oder Kunden wahrhaft erleben, fliegt sie einem über kurz oder lang als Bumerang um die Ohren.

Die (Marken-)Botschaft – und dies ganz besonders in von Unsicherheit geprägten Krisenzeiten – lautet: Daten generieren, nach Relevanz sortieren, Experten zur Lagebeurteilung anhören, faktenbasiert argumentieren und authentisch kommunizieren. Das ist Markenentwicklung im besten Sinne des Wortes. Und die Chance steht jedem offen, nach wie vor. Manchen gelingt es früher als anderen, beispielhaft sei die Berlin Hyp genannt. Dort hat man früh die Zeichen der Zeit erkannt und ein bankenweites Projekt zur Nachhaltigkeit gestartet, als das Thema noch nicht so flächendeckend auf dem Schirm war wie heute. „Wir haben in den 100 Jahren unseres Bestehens immer wieder Krisenresistenz bewiesen. Es ist kein Zufall, dass wir ein Unternehmen mit erstklassiger Arbeitgebermarke sind“, sagt Nicole Hanke, Berlin Hyp, Leiterin Kommunikation & Marketing. Ähnliches darf man bei der Union Investment Real Estate behaupten: „Wir haben auf vielen Ebenen wichtige Weichenstellungen vorgenommen, um unser Immobiliengeschäft auf die vielfältigen Transformationserfordernisse auszurichten. Dieser 360-Grad-Transformationsprozess erfordert eine 360-Grad-Kommunikation, mit der wir unsere Mitarbeitenden zu Gestaltern und Botschaftern der Veränderung machen. Aktive Transformation aus einer Position der Stärke ist eine große Positionierungschance in einem Umfeld voller Veränderungen“, so Fabian Hellbusch, Leiter Immobilien Marketing Kommunikation.

„Aktive Transformation aus einer Position der Stärke“ – da treffen sich die Worte und Inhalte mit jenen von Joschka Fischer. Gespannt darf man jedenfalls sein, wie sich die Gesamtheit der Branche demnächst präsentiert. Auf der Expo Real 2022 wird sich in den Vorträgen und vor allem in den Hintergrundgesprächen zeigen, wer wie mit den Herausforderungen der letzten Jahren umgegangen ist. Man wird spüren, wer die Botschaft der Krise verstanden hat – und wer nicht. Man muss „nur“ genau hinhören und daraus die eigenen Schlüsse ziehen, um die Zukunft zu gestalten.

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ESG ALS RISIKOFAKTOR?

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KRISE ALS CHANCE