MARKENFÜHRUNG: IM ESPRIT DES CORPSGEDANKEN

Der Treiber für Transformation muss nicht ausschließlich ein technologischer sein.
Big Data und Smart Data sind fraglos essenziell, aber unter schwierigen Rahmenbedingungen scheinen sich die Player der Immobilienbranche auf eine neue Kraft zu besinnen: den unternehmensübergreifenden Corpsgeist.  

Das verändert auch die Anforderungen an die Markenführung.

Kooperationsbereitschaft als Markenclaim

Wenn es ein allgemeines Learning aus Corona, dem Krieg und den überdeutlichen Manifestationen der Energie- und Klimakrise gibt, dann: Weitermachen wie bisher ist keine Option. Eine neue Weltordnung scheint sich auf allen Ebenen breit zu machen, und wer hier nicht proaktiv oder zumindest adaptiv seine Geschäftsmodelle verändert, wird auf der Strecke bleiben. Will man es positiv sehen, dann haben die Krisen der letzten Jahre konstruktive Ansatzpunkte ermöglicht. Der gemeinsamen „Feind“ (Stichwort Klimawandel) eint. Reines Wettbewerbsdenken sollte innehalten, weil bei manchen Themen nur ein gemeinsames, übergreifendes Handeln Sinn ergibt. Von Unternehmen und Organisationen ist also eine neue Kooperationsbereitschaft gefordert, die sie auch glaubwürdig auf ihre Fahnen heften müssen. Die Marke eines Unternehmens muss klar machen, dass sie die zentralen, neu evaluierten Werte der Gesellschaft klar vertritt. Die Rede ist von Sicherheit, Vertrauen, Nachhaltigkeit und Zusammenhalt. Man kann es Corpsgeist nennen. Diesen nach innen und außen darzustellen ist eine Frage der strategischen Unternehmensentwicklung und Markenführung.

Gemeinsame Orte statt getrennte Assetklassen

Dass wir in einer Zeit der Transformation leben, spüren alle – und ebenso, dass sich die Immobilienwirtschaft massiv verändert. Das Thema Home-Office etwa ist weitgehend besprochen. Der Arbeitsplatz zu Hause hat sich von einem nice to have zu einem must have entwickelt und auch geteilte Arbeitsplätze sind gang und gäbe. Die Bürolandschaft wird wohl nie mehr so sein, wie sie noch vor wenigen Jahren Standard war. Auch bei Wohnbauten setzen sich neue Konzepte durch. Damit eine Immobilie im Lebenszyklus wirklich bestehen kann, braucht es Design-Individualität, die zum jeweiligen Standort und zu den Nutzern passt. Und warum nennen wir eine Assetklasse „Wohnen“, wenn wir darin nur schlafen und essen? Man kann auch in einem Büro gut wohnen. Künftig wird an Orten gelebt und gearbeitet. Ein Abschied an das Denken in Assetklassen. Neu ist auch, dass in Anbetracht der Energiekrise und des dramatischen Flächenversiegelungsgrades die Sanierung des Immobilienbestands zum wichtigsten Thema für die Immobilienwirtschaft und zum Treiber für die Strategien der Unternehmen der Immobilienindustrie avancieren wird.

Bildung von Zusammenschlüssen

Was alle vereint, ist die Erkenntnis, dass grenzüberschreitende Krisen zusammenschweißen. In der Not scheint man sich der Ähnlichkeit seiner Grundbedürfnisse bewusster zu sein als im Erfolg. In Österreich und Deutschland beginnen sich bereits die ersten Unternehmen entsprechend zu formieren. United Benefits Holding und Rhomberg Ventures haben in einem Joint Venture das Beratungsunternehmen United Climate gegründet. Das neue Unternehmen will Immobilien-Bestandshaltern helfen, ihre Objekte ökologisch, sozial und ökonomisch zu verbessern. In Deutschland hat die Essener Greyfield Group zusammen mit weiteren Immobilienunternehmen den Verband für Bauen im Bestand gegründet (BiB). Die Initiative sieht sich als Plattform, um Wege zu neuen Marktstandards sowie zu angepassten Normen und Verordnungen zu ebnen. Diese Zusammenschlüsse setzen aber über den Aspekt der Nachhaltigkeit noch ein weiteres Zeichen. Sie sind Beispiel gebend für eine Entwicklung, die sich teilweise vollzieht, vollzogen hat oder eben noch um einiges hinten nachhinkt:
Die Zusammenarbeit.

Miteinander statt Dauerclinch

Wer genau schaut, bemerkt: Neue Koalitionen bilden sich, Bestandshalter arbeiten mit Projektentwicklern zusammen, industrielle Unternehmen suchen den Kontakt zu Erfindern und Forschern, und selbst die einzelnen Verbände der Branche rücken zusammen. Angesichts der verschärften Marktbedingungen lässt sich feststellen, dass der Corpsgeist in der Immobilienbranche immer stärker wird. Als Vorbild können da die hochspezialisierten, für die Immobilienbranche arbeitenden Rechtsanwälte sein, die im Wissen agieren, dass man in Verhandlungssituationen die Interessen des eigenen Klienten bei gutem Wind und Klima effektiver vertreten kann als in einem aggressiven, angriffigen Umfeld. Wer Themen als gemeinsame Themen erkennt, betont das Miteinander, anstatt permanent zu clinchen. Die Branche rückt enger zusammen. Und das ist gut so.

Neue Agenda bei der Markenführung

Der neue Geist, der spürbar Einzug hält, wird und muss sich auch für die Art der Unternehmensführung auswirken. Wer begreift, dass man sich sehr wohl eigenständig im Wettbewerb positionieren kann, zugleich aber dabei nicht bloß Gegner, sondern auch Partner sieht – der hat den Kern des Wesentlichen verstanden. Schlussendlich hat das mit Employer Branding zu tun, da die neue Generation an jungen Talenten diese konstruktiv-kooperative Haltung von Unternehmen einfordern wird. Jüngere Vertreter der Generation Y und ältere der Generation Z werden nicht mehr dafür zu gewinnen sein, dass sich Unternehmen als einsame Kämpfer gegen alle anderen verstehen. In einem zum Arbeitnehmermarkt mutierten Umfeld werden für Unternehmen Wertehaltung und ethische Grundsätze zur Conditio sine qua non. Das zu vermitteln und zu leben ist eine Frage der Markenführung – die darin besteht, einen gemeinsamen Nenner aller Marktteilnehmer bei den Zielen zu finden, ohne darauf zu vergessen, die besondere eigenen Position zu bestimmen. Eine schwere, jedoch sehr lohnende Aufgabe.

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