Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein Haus bauen oder sanieren, aber Sie finden keinen Baumeister, keinen Architekten und keine Handwerker.  Dann geht es Ihnen so wie der Immobilienwirtschaft ganz allgemein. Zwei von drei Immobilienfirmen in Deutschland würden gerne dringlich anstehende Neuentwicklungen und Veränderungen umsetzen, finden dafür aber kein ausreichend qualifiziertes Personal. Der Fachkräftemangel grassiert. Aktuelle Studien wie jene des Forschungsinstituts InWIS (im Auftrag des Europäischen Bildungszentrums, EZB) haben dafür konkrete Zahlen parat.

WO IST DAS KOMPETENTE PERSONAL?

62 Prozent der Unternehmen aus der Wohnungs- und der Immobilienwirtschaft beklagen, dass der Arbeitsmarkt derzeit kein ausreichend kompetentes Personal hergebe. Besonders deutlich ist das bei Bauträgern und Projektentwicklern, die zu knapp 90 Prozent Probleme haben, Personal zu rekrutieren. In der Haus- und Wohnungsverwaltung sind es 78 Prozent, bei größeren Wohnungsunternehmen 71 Prozent. Dabei mangelt es den Unternehmen weder am Willen, die Personalstärke aufzubauen, noch an den ursächlichen Herausforderungen: Der Klimawandel, die Notwendigkeit von Neubauten und die Entwicklung neuer Geschäftsfelder sind drei exemplarische „Baustellen“, die asap den Einsatz von Manpower erfordern würden.  Stichwort neue Geschäftsfelder: Um der digitalen Transformation auf allen Ebenen – und ich meine nicht nur smarte Gebäude – gerecht zu werden und Internet of Things-Systeme, Künstliche Intelligenz oder Blockchain-Anwendungen zu implementieren, braucht es qualifizierte IT-Experten mit Immobilienkompetenz.  Und auch hier gilt wie beim eingangs erwähnten Häuslebauer: Die Immobilienwirtschaft findet sie nicht.

Zu guter Letzt baut sich auch noch Handlungsdruck auf der Führungsebene auf. Laut InWIS Bildungsstudie gehen in den kommenden fünf bis sieben Jahren mehr als 20 Prozent der Führungskräfte in den Ruhestand. Die Nachbesetzung der strategischen Entscheidungsträger wird nicht einfacher als jene der operativen Fachkräfte.

WO LIEGT DER FEHLER?

Man könnte jetzt versuchen, den schwarzen Peter für den eklatanten Fachkräftemangel den Anderen zuzuschieben – dem vermeintlich angespannten Arbeitsmarkt oder der Politik und den Bildungsverantwortlichen zum Beispiel, die es möglicherweise verabsäumt haben, das Bildungsangebot rechtzeitig den Anforderungen der Zeit anzupassen. Besser und zielführender wäre es freilich, vor der eigenen Haustüre zu kehren und sich selbstkritisch der Frage zu stellen: Warum fällt es gerade der ökonomisch hochpotenten Immobilienwirtschaft  so besonders schwer, qualifiziertes Personal anzulocken?

Fakt ist (so berichten es auf Immobilien spezialisierte Recruiter): Haben sich früher bei Stellenausschreibungen die Bewerbungen in der Personalabteilungen von Immobilienunternehmen gestapelt, so werden heute immer öfter professionelle Recruiting-Agenturen damit beauftragt, Mitarbeiter zu suchen. Von selbst kommt anscheinend keiner mehr. Und das hat seinen guten Grund. Die Immobilienwirtschaft hat in den letzten Jahren deutlich an Attraktivität eingebüßt und ist insbesondere für Branchenfremde aus dem Blickfeld des Interesses geraten. Letzteres, sprich die mangelnde Sichtbarkeit, ist ein eindeutiges Umfrageergebnis  unserer eigenen, jüngsten Sonderstudie „Employer Branding in der Immobilienwirtschaft“ (REB.Institute und HWR Berlin): Demnach ist die Immobilienwirtschaft für potenzielle Bewerber mit einem technisch-naturwissenschaftlichen, IT- oder medien- bzw. kommunikationswissenschaftlichen Hintergrund nur wenig reizvoll – also ausgerechnet für jene Fachkräfte, die den Unternehmen einen entscheidenden technisch-kommunikativen Schub geben könnten, um die dringend anstehenden Herausforderungen anzugehen bzw. zu meistern.

WAS SIND DIE HAUSAUFGABEN?

Wer über Fachkräftemangel klagt, sollte zunächst prüfen, ob in seinem Unternehmen alles getan wird, um sich als attraktiver Arbeitgeber in Stellung zu bringen. Es mangelt nämlich selten an Talenten, sondern viel öfter – im vielzitierten War of Talents – an der Fähigkeit, die kompetenten Köpfe für sich zu gewinnen. Die Devise sollte dabei weniger lauten, von außen etwas zu fordern, und mehr, von innen zu fördern. Die besten Mitarbeiter zu halten oder neu zu gewinnen hängt in erster Linie von der eigenen Zugkraft ab. Employer Branding heißt das Zauberwort. Und der Zeitpunkt dafür, die Arbeitgebermarke auf das nächste entscheidende Level zu bringen, war nie besser als jetzt in der Zeit der Krise. Es sind die Momente der faktischen und gefühlten Instabilität, die der Chance Tür und Tor öffnen, Menschen mit einer auf Werten wie Sicherheit, Vertrauen und Karriereperspektive gebauten Marke in den Bann zu ziehen.  Das Vertrauen von Mitarbeitern und auch Kunden, dass ein Unternehmen alles unternimmt, um aus schwierigen Situationen gemeinsam gestärkt hervorzugehen, wird zum ausschlaggebenden Faktor. Wann also wenn nicht jetzt muss an der Prägung einer werteorientierten Arbeitgebermarke und Unternehmenskultur gearbeitet werden? Nota bene: Es geht nicht um ein marketinggerechtes Vorgeben von Werten, sondern um authentisch gelebte und kommunizierte Werte. Ist das nicht der Fall, passiert, was eine deutschlandweite Studie der Haufe Group zum Thema Onboarding im vorvergangenen Jahr erhoben hat: Mehr als ein Drittel der neuen Mitarbeiter scheidet während der Probezeit aus, rund 50 Prozent der befragten Unternehmen gab an, Probleme bei der Integration neuer Mitarbeiter zu haben. Bedenklich.

SELBSTERKENNTNIS ALS ERSTER SCHRITT

Zurück zu unserer eigenen Sonderstudie, die auch versöhnlich Erkenntnisse zu Tage bringt. So geht aus ihr hervor, dass Employer Branding für Immobilienunternehmen ein höchst relevantes Thema darstellt, das in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen wird. Die Branche beurteilt sich dabei durchaus selbstkritisch und die befragten Immobilienunternehmen schätzen den Erfolg ihrer Markenbildung als attraktiver Arbeitgeber nur als befriedigend ein. Defizite in der Strategie werden insbesondere in der fehlenden Berücksichtigung der externen Perspektive verortet. Das Controlling der Maßnahmen stellt in der Eigenbetrachtung mit einem nur befriedigenden bis ausreichenden Niveau die am wenigsten professionell umgesetzte Facette einer gesamtheitlichen Vorgangsweise dar.

Selbsterkenntnis als erster Schritt auf dem Weg der Besserung. Denn für mich steht fest: In Anbetracht des sich verschärfenden Wettbewerbs um die besten Arbeitnehmer sind die Immobilienunternehmen gefordert, sich als Arbeitgebermarke noch besser aufstellen. Das ist in Bezug auf dem künftigen Erfolg am Markt eine Frage von strategischer Bedeutung. Am Thema bleiben wir als REB.Institute selbstverständlich dran, unter anderem indem wir in der Real Estate Brand Value Study 2021 den KPI Employer Branding messen.

With branded regards
Ihr Harald Steiner  

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