Der Geschäftsführer einer mittelständischen Berliner Maklerfirma hatte Ende März, mitten in Der Corona-Krise, eine zündende Idee. Um sein lahmendes Wohnungsbesichtigungs-Geschäft am Laufen zu halten und die Belegschaft zu Höchstleistungen zu motivieren, sagte er seinen Außendienstmitarbeitern pro Termin eine einmalige Sonderzahlung plus eine Verdoppelung der Abschlussprovision zu – bezahlt aus der eigenen Chefkasse. Kunden sollten sehen, dass das Unternehmen nach wie vor für sie da ist. Die Mitarbeiter sollten spüren, dass es dem Chef in schweren Momenten nicht an Großzügigkeit mangelt. Und den Mitbewerbern wollte man vermitteln, dass man ihnen einen Schritt voraus ist. Eine Win-win-win-Situation mit der Botschaft nach innen und außen: Wir ziehen unsere Sache beinhart durch, was geht uns die Krise an.
TRAUMABEWÄLTIGUNG
Es würde mich nicht wundern, wenn die Mitarbeiter bei der nächstbesten Gelegenheit der Firma den Rücken kehren. Aus meiner Sicht hat sich der Geschäftsführer in Sachen Employer Branding nämlich den größten denkbaren Bärendienst erwiesen. Warum? Weil er gegen den Strom der Erkenntnis schwimmt und die wahren Bedürfnisse seiner Mitarbeiter und Kunden negiert. Tatsache ist, dass die Corona-Krise wie kaum eine andere Krise je zuvor in alles umfassender Manier Gefühle wie Angst, Unsicherheit und Ungewissheit zu Tage gefördert hat. Menschen fürchten nicht nur um ihren Arbeitsplatz und ihr wirtschaftliches Überleben, sondern auch um ihre Gesundheit und das Wohl ihrer Familie und Freunde. Und das auf unbestimmte Zeit. Die Corona-Krise darauf zu reduzieren, dass wir uns öfter die Hände waschen und ein paar Wochen im Homeoffice arbeiten, wäre fahrlässig. Diese Krise hat unsere Grundwerte erfasst. Es ist wie ein Erdbeben, bei dem man auf lange Zeit das Vertrauen verliert, dass der Boden unter den Füßen wirklich fest ist. In der Psychologie würde man von einem Trauma sprechen, also von einer starken psychischen Erschütterung, die im Unterbewusstsein noch lange wirksam ist. Die Augen davor zu verschließen führt unweigerlich – um in der Sprache der Psychologen zu bleiben –zu posttraumatischen Belastungsstörungen. Wer die Situation hingegen erkennt, annimmt und die richtigen Maßnahmen setzt, dem bietet sich eine Chance, sich neu aufzustellen.
DIE KRISE ALS CHANCE
Was hat das alles mit Employer Branding zu tun? Unheimlich viel. In der größten Krise schlägt für Unternehmen die wichtigste Stunde, um ihre Arbeitgebermarke auf das nächste, den Ansprüchen der Zeit angepasste Level zu hieven. Dauert es normalerweise Jahre, eine positive werteorientierte Unternehmenskultur zu prägen, so bietet sich nun die einmalige Gelegenheit, dies in kürzester Zeit zu schaffen. Wer jetzt in authentischer Weise Sicherheit, Vertrauen und Empathie vermittelt, wird sich auf ewig ins Gedächtnis seiner Mitarbeiter und Kunden einbrennen. Und das Vertrauen der Kunden sowie das Engagement und die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter werden die ausschlaggebenden Faktoren sein, um mit einer gefestigten Arbeitgebermarke gestärkt aus der Wirtschaftskrise herauszukommen, die der Corona-Zeit im Schlepptau folgt. Die Krise ist insofern der perfekte Moment, um die Art und Weise der Zusammenarbeit und der Kommunikation mit Mitarbeitern, Kunden, Partnern und Investoren zu überdenken und zu verbessern.
WEISE WORTE & TATEN
Verstanden hat man das zum Beispiel bei einem international operierenden Immobilienunternehmen. Dessen Geschäftsführer richtete sich bereits Anfang März mit einem Brief an seine rund 300 Mitarbeiter, der im Wortlaut wie folgt begann: „Ich hoffe, es geht Ihnen allen und Ihren Familien gesundheitlich gut. Ich melde mich heute von meinem Heimarbeitsplatz aus und möchte Sie ab sofort und regelmäßig über den aktuellen Status und die weitere Vorgehensweise in den nächsten Wochen informieren. Vorweg aber ein Danke an Sie alle, die in schwierigen Tagen Großartiges leisten. Ich bin sehr optimistisch, dass wir diese Krise gemeinsam gut meistern werden (…).“ Die vier Sätze, die Empathie, Sicherheit, Dankbarkeit, Zusammenhalt und Zuversicht vermitteln, sind in Gold kaum aufzuwiegen. Der Wiener Geschäftsführer hielt übrigens Wort, informierte bis heute laufend (nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Kunden und Partner) und agierte selbst tatkräftig an vorderster Front. Dass die Geschäfte schneller als in anderen Unternehmen wieder angelaufen sind, überrascht ebenso wenig wie der Umstand, dass sich die Mitarbeiter früher als gefordert – in großer Anzahl und aus eigenem Antrieb – wieder in den hygienisch bestens vorbereiteten Büroräumen eingefunden haben. Und mich überrascht es nicht, dass dieses Unternehmen seit vielen Jahren in den Marken-Rankings unseres European Real Estate Brand Institutes auf den ersten Rängen zu finden ist.